Nail it
Anlass für die Entstehung dieses Beitrags war ein Artikel in der ZFK, der sich mit dem Thema „Digitalisierung“ befasste. Der Artikel bezog sich auf eine BDEW-Veranstaltung, in deren Rahmen die Digitalisierung auch im Hinblick auf den Aspekt der Kundennähe behandelt wurde.
Weltwahrster Satz übrigens aus dem Artikel: "Großes Potenzial sieht er zudem darin, die Zusammenarbeit mit Startups auszubauen und ihnen Daten kostenfrei zu überlassen, damit sie im Gegenzug neue Kundenangebote in Zusammenarbeit mit den Verteilnetzbetreibern entwickeln."
Im Zuge eines Austauschs zu diesem Artikel stellte mein Gesprächspartner die These auf, dass die Digitalisierung der Kundenschnittstellen Vertrieb, Kundenservice etc. unweigerlich zu einem Stellenabbau in Unternehmen führen müsste. Man sehe das ja bei den Banken.
Hier hebe ich die Diskussion in diesen Blog.
Vorab eine kurze Klärung dessen, worüber wir sprechen. Welche buzzige Facette von "Digitalisierung" meinen wir heute? Es geht in erster Linie darum, dass Prozesse und Tätigkeiten durch die sich immer weiter entwickelnden Möglichkeiten der „IT“ schlanker und effizienter werden. Gemeint sind also Produktivitätsfortschritte durch Digitalisierung.
Schauen wir uns vorab eine Privatkunden-Bank an. Der Angestellte, der uns dort „berät“, gibt in der Regel die entsprechenden Kunden-Informationen schlicht in die Maske eines Computer-Programms ein und liest dann mehr oder weniger eloquent das ab, was daraufhin auf seinem Bildschirm erscheint. Nachfragen sind zwecklos, der Gute weiß ja nicht, wie das Ergebnis zustande gekommen ist. Also kann ich doch genauso gut zu Hause in meinen Rechner schauen, derweil sich der Bankberater die Nägel macht.
Aber da french nails nicht wirklich zur Wertschöpfung einer Bank beitragen, werden in Deutschland immer mehr Bank-Filialen geschlossen. Ergo killt die Digitalisierung Jobs. Denn die eigentliche Arbeit leisten mittlerweile die Programme und Datenbanken, die nach den Vorgaben der Zentrale geeignete Produkte für den Kunden (oder besser für die Bank geeignete Produkte?) vorschlagen.
Das Prinzip dahinter gilt auch in der Energiebranche: angefangen beim Abschließen von Strom- und Gas-Verträgen, über die Konfigurierung von Gasbrennwertthermen oder PV-Anlagen bis hin zur Beratung für das energetische Sanieren, ... All dies kann ich mittlerweile auch selbst bequem vom Sofa aus machen. Dafür muss ich heute nicht mehr extra jemanden kommen lassen oder gar noch irgendwohin hinlatschen.
Die etablierte Branche hat freilich diesen Trend erkannt und bietet, wenn es sich nicht um eine einfache Strom- oder Gaslieferung handelt, über eine White-Label-Lösung diese Produkte online an. Theoretisch werden also Tätigkeiten ins Inter-Netz verlagert.
Allerdings gehen diese neuen Angebote Hand in Hand mit einer Daten-getriebenen Segmentierung. Stadtwerke zum Beispiel können ihre vorhandenen Daten gezielt nach potenziellen Kunden durchsuchen oder die vorhandenen Daten anreichern und somit die Abschlusszahlen steigern oder die Kündigungszahlen senken. Dies wiederum führt zu einer höheren Auslastung und somit zu einem Aufbau an Personal. Also gibt es eine Verschiebung der Aufgaben im Unternehmen.
Soweit die schnöde Theorie. Die Potenziale der PV-Aufdachanlagen, die zum Beispiel mit einem Speicher kombiniert werden oder die Potenziale von neuen Gas-Brennwertthermen sind groß und eben mit den neuen Analysemethoden auch zu heben. Das Personal wird in Summe also weiterhin gebraucht. Die Frage, die sich aber nun stellt: In welchem Unternehmen werden die Mitarbeiter gebraucht?
Neue Unternehmen wie Thermodo oder energieheld kommen auf den Markt und stellen Mitarbeiter ein, nehmen aber auch gleichzeitig der „alten Branche“ Teile der Wertschöpfung weg. Allenfalls kann die Kommune die Namensrechte am „Stadtwerk“ halten und eine kleine Abteilung beschäftigen, die die Dienstleister mit den White-Label-Produkten steuert und die Qualität sicherstellt.
Vielleicht wird bei einer der nächsten Neugründungen eines Stadtwerks genau das gemacht. Da jammert dann auch keiner rum, dass Mitarbeiter entlassen werden müssten. Politiker haben ihr Stadtwerk und können mit den Einnahmen die Stadtkasse aufbessern.
Die Schlussformel lautet also: Personal wird durch die Digitalisierung nicht wegfallen, da neue Geschäftsfelder entstehen und neue Potenziale erschlossen werden können. Man muss diese Geschäftsfelder aber auch besetzen und die Potentiale aktiv heben. Denn eins steht fest, irgendjemand wird es machen.
Und: es werden andere Anforderungen an die Mitarbeiter gestellt. Hier hat die Digitalisierung eine Veränderung von Arbeitsplätzen zur Folge, aber nicht zwingend deren Vernichtung (unterm volkswirtschaftlichen Strich).
Kurze Fußnote: Es ist eine oft gehörte und auch von Politikern gerne getroffene Aussage, dass die Energiewende Jobs vernichte. Dies mag im Einzelfall zutreffend sein, aber unterm Strich, also volkswirtschaftlich gesehen, ist sie nicht ausgemacht. Aber ganz wichtig, darum dreht sich dieser Beitrag auch nicht. Darüber können Sie sich vortrefflich mit der Kohle-Lore oder RWE, IGBC und Konsorten streiten. Denn das ist für uns schlicht Lobbyisten-Genöle.